Nachdem ich als ersten Gin den Klassiker Bombay Sapphire gewählt hatte, geht es nun mit einem wirklich außergewöhnlichen Destillat weiter. Den erst seit 2014 auf dem Markt erhältlichen Dà Mhìle (gälisch; gesprochen “Dawieläi”) Seaweed Gin habe ich zufällig in London bei einem Spaziergang über einen Biomarkt entdeckt und da direkt probiert. Dà Mhìle stellt auch einen gewöhnlichen Botanical Gin her, der mir allerdings beim Tasting am Stand nicht sonderlich komplex oder herausragend vorkam, weshalb ich dort den Seaweed-Gin kaufte und mich auch hier diesem widme.
Dem in extrem kleinen Batches in Wales destillierten Bio-Gin merkt man seine maritime Herkunft deutlich an: Dieses »Wasser des Lebens« ist als Begleiter zu Seafood gedacht und sollte am besten pur getrunken werden. Von schicken Londoner Edelclubs ist dieser handwerklich hergestellte Gin in etwa so weit entfernt wie die Briten vom Euro. Die Verzehrempfehlung auf der Flasche schlägt idealerweise den Genuss aus einer Austernschale oder als Begleiter zu Kaviar vor.
Der blassgrüne Charakter-Gin profitiert natürlich hierbei in höchstem Maße von seinem naturverbundenen Distiller John Savage, der in der Vergangenheit schon mit der Produktion von Bio-Käse und und Bio-Whiskey gezeigt hat, dass er handwerkliche Nahrungsmittel schaffen kann, die alles andere als alltäglich sind und im Gedächtnis bleiben.
Die Namen gebenden Algen werden aus New Quay in der Region Ceredigion gewonnen und sorgen so in der dreiwöchigen Infusionszeit nach Savages Angabe für leichte Variationen in Geschmack und Farbe jeder Batch (deren Nummer leider nicht auf den Etiketten vermerkt ist). Über die weitern Inhaltsstoffe erfährt man leider wenig, nur so viel, dass es ausgewählte (Ach!) Gewürze und Kräuter seien, die für ihr gutes Zusammenspiel mit Seafood bekannt seien.
In der Nase präsentiert sich der 42%ige Algen-Gin außergewöhnlich komplex, würzig und tiefgründig. Grüne, salzige Noten mischen sich mit erdigen, fast torfigen und nussigen Gerüchen und Anklängen von Anis und Zitrus zu einer unvergleichlichen Mischung, die einen im Kopf in Windeseile an die rauen walisischen Küsten versetzt.
Auch im Mund geben die Namen gebenden Algen ebenso den Ton an, ohne jedoch zu dominant oder gar abgestanden zu wirken, ganz im Gegenteil: Die salzige Meeresgemüse-Symphonie ist zu jeder Zeit frisch, stimmig und klar als Gin zu erkennen.
Im Abgang schmeckt man pfeffrige und gemüsige Noten nach Spinat und einen Hauch von Kardamom, Holunder und Sellerie. Der erdige, nicht unangenehme Algen-Geschmack bleibt alsdann unendlich lange auf der Zunge.
Den Dà Mhìle sollte man unbedingt probieren, wenn man die Chance dazu hat, dann aber bitte pur. In einem Mixgetränk wie beispielsweise einem G+T geht (zu) viel Charakter verloren und die feinen Geschmacksnoten gehen leicht in monotone salzige Bitterkeit über – schade, aber auf Grund des äußerst komplexen, wechselhaften und fragilen Geschmacksspiels zu erwarten.
Der Dà Mhìle Seaweed-Gin ist momentan (Anfang November 2014) leider ausverkauft, es soll aber bald eine neue Batch produziert und verkauft werden. Meines Wissens nach bekommt man ihn momentan nur direkt beim Hersteller; eine 70cl-Flasche kostet 30£, also etwa 38 Euro.